Interview mit Festivalleiter Dr. Oliver Langewitz

Die Independent Days finden von Mittwoch, 30. März, bis Sonntag, 3. April 2016, im Karlsruher Traditionskino SCHAUBURG statt. Welche Highlights erwartet die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr?

 

Von den 144 Filmen, die wir zeigen, ist jeder für sich ein Highlight. Sie wurden in einem Monate dauernden Auswahlprozess von unserer Festival-Jury gesichtet, bewertet und aus den knapp 1.300 Filmen, die in diesem Jahr eingereicht wurden, dann das Programm zusammen gestellt. Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr auch wieder ein paar schöne Langfilmproduktionen nach Karlsruhe holen konnten, zum Beispiel „Dirty Games“ von Benjamin Best oder der bildgewaltige Film „Lost in Laos“ von Vincent Lodder und Jonathan Kay. Insgesamt zeigen wir 8 Langfilmproduktionen, bei den restlichen Filmen handelt es sich um Kurzfilme, die sich von der Laufzeit zwischen einer und 30 Minuten bewegen.

 

Wir bieten zudem wieder mehrere kostenlose Filmworkshops für Filmemacher und Filminteressierte an, denn wir begreifen uns auch als Plattform für den Filmnachwuchs und da geht es eben auch darum, neue Impulse zu setzen und Wissen zu vermitteln. Hier zum Beispiel zu den Besonderheiten des Storytellings von Kurzfilmen, neuen Auswertungsmöglichkeiten von Filmen im Internet und dem relativ neuen Format der Microfilms, zu denen wir in diesem Jahr auch einen Wettbewerb ausgelobt haben.

 

Als besonders positiv empfinde ich, dass wir in unseren 25 Filmprogrammen auch viele Welt-, Europa- und Deutschlandpremieren in Karlsruhe feiern können! Das Publikum kann so Filme sehen, die noch nie über eine deutsche Leinwand geflackert sind. Das ist natürlich unser besonderer Anspruch: Filmen eine Plattform zu geben, die über uns ihr Publikum finden.

 

Um was für Filme handelt es sich hierbei? Woher kommen die Filme?

 

Unser Fokus liegt auf unabhängigen Filmproduktionen aus der ganzen Welt. Insgesamt sind Filme aus 37 Ländern vertreten, neben größeren Filmnationen wie den USA, Frankreich, Deutschland oder Großbritannien sind auch Filme aus Ländern wie Puerto Rico, Zypern, den Philippinen oder Nigeria vertreten. Bei den Filmen handelt es sich um Produktionen von Independent-Filmemachern, aber auch von Filmstudenten, die über das Genre des Kurzfilms den Zugang zum Profi-Geschäft suchen. Filmemacher nutzen Kurzfilme, um neue Filmtechniken zu erproben, neben ihrem Tagesgeschäft als Produzenten von TV-Filmen, Werbe- oder Imagefilmen. Auch freie kreative szenische Inhalte können sie hier umsetzen oder auch ihre Visionen in Independent-Langfilmen verwirklichen, ganz ohne die Restriktionen von TV-Sendern oder großen Kinoketten.

 

Es sind ja aber eben diese ambitionierten Filmprojekte mit meist kleinem Budget, die neue filmische Positionen erschließen, in den Freiräumen der Unabhängigkeit die Filmsprache weiterentwickeln und so ihren ganz persönlichen Beitrag leisten zur Filmkunst. Und wenn ich die vergangenen Independent Days-Ausgaben Revue passieren lasse, erinnere ich mich, wie viele Nachwuchstalente erst bei uns ihre ersten Schritte machen durften und heute zu den erfolgreichen Filmemachern zählen. Ich denke zum Beispiel an Axel Ranisch, Felix Stienz, Nathan Nill oder Dr. Uwe Boll, den wir in seinen Anfängen in den ersten Ausgaben unseres Festivals präsentierten.

 

Das heißt: bei den Independent Days kann man die Talente von morgen entdecken?

 

Ich würde es anders formulieren: Bei den INDEPENDENT DAYS sehen die Zuschauer die Talente von heute. Manche von ihnen haben schon ihre klare Handschrift entwickelt, andere sind noch auf der Suche und entdecken ihre eigene Filmsprache. Letztlich ist der Filmmarkt, wie auch die Kreativwirtschaft insgesamt, ein sehr schwieriges Feld – gerade in Deutschland, bei dem selbst mit Talent nicht garantiert ist, dass man es auch tatsächlich schafft. Denn über die richtigen Netzwerke und wichtigen Kontakte zu Sendern, Verleihern und Filmförderern zu verfügen, ist mitunter wichtiger, als ein genialer Geschichtenerzähler zu sein.

 

Daher sind Filmfestivals wie die INDEPENDENT DAYS auch so wichtig, da man hier wichtige Kontakte knüpft und sich so für seine künftigen Projekte positioniert. Wir möchten den Filmemacherinnen und Filmemachern, die bei uns laufen, auf diesem Weg in die Branche Hilfestellung bieten, ihnen die direkte Auseinandersetzung mit dem Publikum ermöglichen und mit einem Slot in unserem Programm ermutigen, weiter zu machen.

  

Was sind die Themen des Festivals? Gibt es hier in jedem Jahr bestimmte Strömungen zu entdecken?

 

Filmemacher orientieren sich natürlich immer an den aktuellen Themen unserer Zeit und das spiegelt sich auch in ihrer Arbeit wider. Gerade bei Kurzfilmen haben Filmemacher die Möglichkeit, schneller auf das Zeitgeschehen zu reagieren, da der Produktionsprozess im Vergleich zu Langfilmen oftmals deutlich schneller ist.

 

So spielt die heutige Flüchtlingskrise ebenso eine Rolle wie der leider zu beobachtende Rechtsruck in vielen Teilen Europas und in der Welt. Wirtschafts-, Sozial- oder Politikthemen werden auch immer wieder auf frische und originelle und unterhaltsame Weise erzählt. Aber auch persönliche Themen, die in irgendeiner Weise auch mit der Lebenswirklichkeit der meist jungen Filmemacher zu tun haben, finden sich verstärkt im Programm. Darunter viele Beziehungs- und Liebesgeschichten, Probleme mit sich, seiner Identität und seiner Umwelt, aber auch die Massenmedien stehen immer wieder im Fokus.

 

Besonders positiv bewerte ich die Genrevielfalt der Independent-Filmemacher, die auch bei uns im Programm zum tragen kommt. So finden sich bei den 144 Filmen neben Coming of Age-Geschichten, Dramen, Komödien, Liebesfilmen oder Thrillern auch Horrorfilme, Animationsfilme und sogar aufwändig gedrehte Historienfilme. Ein vielfältiger und spannender Mix, immer in thematischen Blöcken wie zum Beispiel „Modern Love Stories“, „Hidden Secrets“ oder „Strong Women in a Crazy World“ zusammen gefasst.

 

Hat der Umfang des Festivals zugenommen und wie groß ist der Aufwand insgesamt?

 

Die INDEPENDENT DAYS haben in ihrer heutigen Größe einen deutlich größeren Umfang angenommen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Alleine unsere Jury ist mit der Sichtung der Filmeinreichungen über ein halbes Jahr lang beschäftigt. Parallel dazu beginnt dann auch schon immer die Planungsphase für das Festival, das aufgrund unseres hohen professionellen Anspruchs viel Raum einnimmt.

 

Ab Januar beginnt dann die konkrete Umsetzungsphase. Gerade die Filmemacher-Korrespondenz, unsere Marketing-, PR- und Social Media-Kampagne, die Erstellung unserer vielfältigen Printprodukte, und natürlich die Logistik, alle Filme pünktlich digital nach Karlsruhe zu bekommen, ist sehr zeitintensiv.

 

Unser Festivalkernteam umfasst knapp 10 Mitarbeiter, hinzukommen 14 Jurymitglieder für das allgemeine Programm, 6 Jurymitglieder für unsere Microfilm-Jury und viele ehrenamtliche Helfer. Während des Festivals wächst unser Team auf über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an und so bin ich in diesem Jahr sehr froh, dass uns die KA-Volunteers zur Verfügung stehen, die dank des Stadtgeburtstags viele Erfahrungswerte für große Kulturevents mitbringen und so unser Team in der SCHAUBURG ungemein bereichern.

 

Wie finanzieren sich die INDEPENDENT DAYS?

 

Wir erhalten einen Zuschuss vonseiten der Stadt Karlsruhe, zudem werden wir von der Georg Fricker Stiftung unterstützt. Hinzu kommen unsere Preisstifter, die Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe und in diesem Jahr erstmalig die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN. Dank vieler Partner, Sponsoren und Unterstützer erhalten wir auch viele Sach- und Dienstleistungen und unsere Medienpartner Klappe auf, ka-news.de, TV Baden und den BNN ist die Medienpräsenz hier in der Region sehr groß.

 

Leider werden wir im kommenden Jahr wie viele andere städtisch geförderte Einrichtungen mit Mittelkürzungen rechnen müssen. Wenn man bedenkt, dass wir sowieso schon am Limit gefahren sind, muss es uns gelingen, Sponsoren aus der Privatwirtschaft zu gewinnen, um die INDEPENDENT DAYS auf zumindest diesem Niveau halten zu können. Denn rechnet man alles zusammen, werden in unserem Festival gut und gerne 50.000 Euro umgesetzt.

 

Sie sprechen davon, dass die Independent Days auf dem besten Wege seien, ein Europäisches Filmfestival zu werden. Was ist damit gemeint?

 

Erfüllt ein Filmfestival bestimmte Kriterien, kann es von Creative Europe MEDIA, das ist ein europäisches Förderprogramm für die Kreativwirtschaft, gefördert werden. Als Europäische Festivals gelten solche, deren Programm zu 50 Prozent aus nicht-nationalen Filmen und zu mindestens 70 Prozent aus Filmen besteht, deren Herkunftsländer am Teilprogramm MEDIA teilnehmen. Es müssen mindestens 15 Teilnehmerländer im Festivalprogramm vertreten sein. Die Festivals sollen die Themen Publikumsentwicklung, vor allem für das junge Publikum, sowie Filmbildung berücksichtigen.

 

 

Vielen herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg bei der diesjährigen Festivalausgabe!